Ein Erfahrungsbericht aus dem Bavaria Film Park von Manuel Miserok
„Und, was machst du so nach der Schule?“ – „Im Raumschiff arbeiten!“
Ein Erfahrungsbericht aus dem Bavaria Film Park von Manuel Miserok
Frühjahr 1992: Nach 13 Jahren endlich der letzte Schultag. Und die Entscheidung, im darauf folgenden Sommer entweder zu verreisen („… letzte Gelegenheit vor dem Studium …“) oder Geld zu verdienen. Meine Entscheidung fiel auf den Nebenjob, und was lag da näher als sich beim neu eröffneten Bavaria Film Park, dem Nachfolger des legendären Traumlandparks, zum „Job-Casting“ zu melden.
Eine Horde von Filmemachern und Jungmanagern ist aus München von den Bavaria Studios angerückt, um dem Ruhrpott Filmkultur nahe zu bringen. Schnell wird klar, dass vom Charme der Marienkäferbahn, von „Monza Piste“ und dem drehenden Haus nicht mehr viel übrig geblieben ist. Bei der Informationsveranstaltung in Gladbeck platzt der Saal fast aus dem Rahmen. Neben Schüler(inne)n wie mir, die nur mal ihr Taschengeld aufbessern wollen, zeigt sich zahlenmäßig der Ernst der hohen Arbeitslosigkeit in der Region: Aus dem ganzen Ruhrgebiet sind sie angereist – gelernte Schlosser, die sich zum Animateur im Raumschiff ORION umschulen lassen möchten und arbeitslose Verkäuferinnen, die nichts lieber machen würden als Kindern die Gesichter zu schminken…
Meine Bewerbung im Bereich „Merchandising“ läuft erfolgreich, und wenige Wochen später bin ich einer von zwei Mitarbeitern im Zentrallager für Souvenirs und sonstigen Krempel. Vom „Käpt’n Blaubär“ Kartenspiel über das Sturmfeuerzeug mit Marilyn Monroe-Logo bis hin zu richtig kostbaren Original-Zeichnungen von Walt Disney kommen fast täglich neue Lieferungen an, die wir in den diversen Shops im Park verteilen. Der Absatz von Eintrittskarten, Souvenir-Artikeln und Park-Gastronomie läuft allerdings von Anfang an nicht so wie man in München kalkuliert hatte.
An einem Tag springe ich als Krankheitsvertretung für einen Verkäufer ein und schiebe im Zaubererkostüm einen mobilen Verkaufsstand durch den Park. In vielen Gesprächen mit Besuchern aus der näheren Umgebung kommt durch, dass ja an den guten alten Traumlandpark nichts mehr erinnert. Die Attraktionen, die vermisst werden, gehen von der Looping Achterbahn bis hin zum Streichelzoo. Aber die U-Boot Attrappe aus „Das Boot“, den ersten Oscar in seiner Glasvitrine und die Originaljacke von Kommissar Schimanski wollen nur die wenigsten wirklich sehen.
Publikumsmagnet ist die Stunt Show, in der echte Profis aus dem Stunt-Geschäft mehrmals täglich ihr Können zeigen. Viele andere Attraktionen vom dreidimensionalen Rüttelkino bis zum Raumschiff ORION sind leider zu häufig kaputt.
Das Raumschiff, das nur noch die Besucher der Schwarzweiß-Fernseher-Generation als TV-Serie kennen, wurde zu meiner zweiten Station im Park. Der Job bestand darin, morgens die Nebelmaschine zu starten und dann per Tastatur die Türen der einzelnen Raumschiff-Stationen zu öffnen und zu schließen. Insgesamt habe ich gute Erinnerungen an die Zeit im Park – es war jedenfalls eine etwas andere Art zu arbeiten; mit netten Vorgesetzten, gemeinsamen Kinobesuchen für alle Mitarbeiter und viel Park-Feeling und frischer Luft.
Dass das Konzept eines Kino-Museums als Nachfolger des Traumlandparks im Ruhrgebiet nicht funktionieren würde, hätten die Park-Macher/innen sich aber auch vorher ausrechnen können.
Im folgenden Jahr habe ich den Park noch einmal besucht, und dann war ja auch schon wieder alles vorbei. „Bye bye, Rolli!“